21.02.2019

BAG: Arbeitgeber muss ausdrücklich auf den Verfall des Urlaubs zum Jahresende hinweisen

Mit einer aktuellen Entscheidung vom 19.02.2019 (Az. 9 AZR 541/15) hat das Bundesarbeitsgericht die Vorgaben des EuGH zum Urlaubsrecht (EuGH Urteil vom 06.11.2018, Aktenzeichen C – 684/16) umgesetzt. Demnach erlischt der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub in der Regel nur dann am Ende des Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Sachverhalt:

Der Beklagte beschäftigte den Kläger vom 1. August 2001 bis zum 31. Dezember 2013 als Wissenschaftler. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte der Kläger ohne Erfolg, den von ihm nicht genommenen Urlaub im Umfang von 51 Arbeitstagen aus den Jahren 2012 und 2013 mit einem Bruttobetrag iHv. 11.979,26 Euro abzugelten. Einen Antrag auf Gewährung dieses Urlaubs hatte er während des Arbeitsverhältnisses nicht gestellt.

Entscheidung des BAG:

Das BAG hat die Sache zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes an das LAG München zurückverwiesen. Gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG sei es dem Arbeitgeber vorbehalten, die zeitliche Lage des Urlaubs unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers festzulegen. Diese Vorschrift zwingt den Arbeitgeber zwar nicht, dem Arbeitnehmer von sich aus Urlaub zu gewähren. Allerdings obliege ihm unter Beachtung von Art. 7 Abs. 1 der EU-Arbeitszeitrichtlinie die Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Danach sei der Arbeitgeber gehalten, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – aufgefordert, dies zu tun. Der Arbeitgeber habe klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums verfallen wird, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nimmt. Kommt der Arbeitgeber diesen Verpflichtungen nicht nach, tritt der Verfall von Urlaub in der Regel nicht ein.

Praxishinweis:

Arbeitgeber werden in der Zukunft nachweisen müssen, dass sie die vom BAG aufgestellten Anforderungen eingehalten haben, wenn sie sich auf einen automatischen Verfall von Urlaubsansprüchen berufen wollen. Ein entsprechender Nachweis sollte zumindest in Textform, also per E-Mail, erfolgen. Die Ausweisung von Resturlaubstagen in der Lohnabrechnung dürfte nicht ausreichen. Zudem wird diese Aufforderung so rechtzeitig erfolgen müssen, dass der Urlaub noch tatsächlich genommen werden muss. Offen ist aber noch, ob eine allgemeine Aufforderung z.B. am „Schwarzen Brett“ ausreicht oder ob eine jeweils individuelle Aufforderung erfolgen muss.

Wir empfehlen daher zukünftig, nach dem Ende der Sommerferien einen Zwischenstand der Resturlaubsansprüche aller Arbeitnehmer zu erheben, um dann die Mitarbeiter, die noch über einen Resturlaubsanspruch verfügen, jeweils individuell per E-Mail dazu aufzufordern, den Urlaub noch im laufenden Jahr zu nehmen, da dieser ansonsten mit Ablauf des Kalenderjahres verfällt. Gerne sind wir Ihnen bei der Formulierung behilflich.

Noch offen ist die Frage, ob ein Vertrauensschutz für die Vergangenheit gewährt werden wird. Es deutet aber einiges darauf hin, dass jedenfalls vermeintlich verfallene Ansprüche aus dem Jahr 2018 bereits von dieser Rechtsprechungsänderung betroffen sein können. Denn die Voraussetzungen sind seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 06.11.2018 bekannt. Diese Frage wird allerdings erst in zukünftigen Auseinandersetzungen gerichtlich geklärt werden. Es bleibt also spannend.

Die Entscheidung liegt bislang nur als Pressemitteilung vor: https://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2019&nr=21968&pos=2&anz=11&titel=Verfall_von_Urlaubsanspr%FCchen_-_Obliegenheiten_des_Arbeitgebers