Keine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei der Umsetzung eines Arbeitnehmers vor der Entscheidung über dessen Gleichstellungsantrag
Hat ein als behinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 30 anerkannter Arbeitnehmer die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen beantragt und dies dem Arbeitgeber mitgeteilt, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung von der beabsichtigten Umsetzung dieses Arbeitnehmers zu unterrichten und sie hierzu anzuhören, wenn über den Gleichstellungsantrag noch nicht entschieden ist. Das hat das Bundesarbeitsgericht am 22.01.2020 entschieden (Beschluss vom 22. Januar 2020 – 7 ABR 18/18 –, Pressemitteilung 4/20)
Sachverhalt:
Die Arbeitgeberin, ein Jobcenter, beschäftigt eine Arbeitnehmerin, die als behinderter Mensch mit einem GdB von 30 anerkannt ist. Am 4. Februar 2015 stellte diese einen Antrag auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen bei der Bundesagentur für Arbeit und informierte den Leiter des Jobcenters hierüber. Das Jobcenter setzte die Arbeitnehmerin im November 2015 für die Dauer von sechs Monaten in ein anderes Team um, ohne zuvor die Schwerbehindertenvertretung unterrichtet und angehört zu haben. Mit Bescheid vom 21. April 2016 stellte die Bundesagentur für Arbeit die Arbeitnehmerin rückwirkend zum 4. Februar 2015 einem schwerbehinderten Menschen gleich. Die Schwerbehindertenvertretung hat im Wesentlichen geltend gemacht, das Jobcenter habe sie vorsorglich auch dann zu unterrichten und anzuhören, wenn behinderte Arbeitnehmer, die einen Gleichstellungsantrag gestellt und dies dem Jobcenter mitgeteilt haben, auf einen anderen Arbeitsplatz umgesetzt werden sollen ( § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX ).
Entscheidung:
Diese Anträge hatten vor dem Bundesarbeitsgericht keinen Erfolg. Nach § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören. Diese Regelung gilt gemäß § 151 Abs. 1 SGB IX für schwerbehinderte und diesen gleichgestellte behinderte Menschen. Die Beteiligungspflicht bei Umsetzungen bestehe danach nicht, wenn die Umsetzung einen behinderten Arbeitnehmer betrifft, der einen Antrag auf Gleichstellung gestellt hat, über den noch nicht entschieden ist. Die Gleichstellung erfolge erst durch die konstitutiv wirkende Feststellung der Bundesagentur für Arbeit. Erst ab diesem Zeitpunkt besteht das Beteiligungsrecht der Schwerbehindertenvertretung bei der Umsetzung nach § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX. Zwar wirke die Gleichstellung nach § 151 Abs. 2 Satz 2 SGB IX auf den Tag des Eingangs des Antrags zurück. Dies begründe jedoch nicht die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Schwerbehindertenvertretung vor der Entscheidung über den Gleichstellungsantrag vorsorglich über eine Umsetzung zu unterrichten und zu dieser anzuhören. Das sei mit den Vorgaben des Unionsrechts und der UN-Behindertenrechtskonvention vereinbar.
Praxishinweis:
Diese Entscheidung zu begrüßen, da sie Handlungssicherheit für die Praxis gewährleistet. Entscheidend für die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ist demnach Der Zeitpunkt des Erlasses eines entsprechenden Bescheids. Ob diese Rückwirkung entfaltet, ist demnach unbeachtlich. Durch diese Entscheidung ist der Beginn des Beteiligungsrechtes der Schwerbehindertenvertretung eindeutig bestimmbar.
Aber aufgepasst: Dies gilt nicht umfassend. Unter den Voraussetzungen des § 173 Abs. 2 SGB IX greift der Kündigungsschutz auch für einen gleichgestellten Mitarbeiter unter bestimmten Voraussetzungen bereits vor einer entsprechenden Entscheidung des Versorgungsamts. Die Entscheidung des BAG betrifft ausschließlich die Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung.