BAG: Automatisches Ende des Sonderkündigungsschutzes eines Datenschutzbeauftragten, wenn dessen Bestellung nicht mehr verpflichtend ist
Sinkt die Beschäftigtenzahl unter den Schwellenwert, ab dem die Bestellung eines Datenschutzbeauftragten nach dem BDSG verpflichtend ist, endet grundsätzlich automatisch der Sonderkündigungsschutz eines Datenschutzbeauftragten. Gleichzeitig beginnt der nachwirkende einjährige Sonderkündigungsschutz (BAG, Urteil vom 05.12.2019 – 2 AZR 223/19).
Hintergrund:
Bereits mit Urteil vom 27.07.2017 – 2 AZR 812/16 stellte das Bundesarbeitsgericht fest, dass ein Datenschutzbeauftragter nur dann Sonderkündigungsschutz genießt, wenn seine Bestellung gesetzlich vorgeschrieben ist.
§ 4f Abs. 1 BDSG in der bis zum 24.5.2018 geltenden Fassung (a.F.) schrieb vor, dass nicht-öffentliche Arbeitgeber einen Datenschutzbeauftragten zu bestellen hatten, sobald mehr als neun Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigen wurden.
Wenn diese Voraussetzung erfüllt gewesen ist, war eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Datenschutzbeauftragten nach § 4f Abs. 3 Satz 5 BDSG a.F. unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorlagen, welche die verantwortliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigten. Gemäß § 4f Abs. 3 Satz 6 BDSG a.F. wirkte dieser Sonderkündigungsschutz für ein Jahr nach der Beendigung der Bestellung nach.
In seinem Urteil vom 05.12.2019 – 2 AZR 223/19 hatte sich das Bundesarbeitsgericht nun mit der Frage zu beschäftigen, wie sich ein Absinken der Beschäftigtenzahl unter den für die verpflichtende Bestellung eines Datenschutzbeauftragten maßgeblichen Schwellenwert auf die kündigungsrechtliche Stellung des Datenschutzbeauftragten auswirkt.
Sachverhalt:
Das BAG hatte über die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung eines Datenschutzbeauftragten zu entscheiden. Der Arbeitnehmer arbeitete seit April 2010 bei einem australischen Bankinstitut als Director Institutional Banking. Im Juni 2010 wurde er von seinem Arbeitgeber gem. § 4f BDSG in der bis zum 24.5.2018 geltenden Fassung (im Folgenden aF) zum Datenschutzbeauftragten ernannt. Zu diesem Zeitpunkt waren in der Niederlassung neun Beschäftigte tätig, die alle ständig automatisiert personenbezogene Daten verarbeiteten, während in den Jahren vorher mehr Leute angestellt gewesen sind.
In den Jahren 2010 bis 2015 wurden in der betroffenen Niederlassung
zwischen zehn und dreizehn, im Jahr 2016 neun Mitarbeiter beschäftigt.
Im April 2017 sprach der Arbeitgeber die ordentliche Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer
aus. Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung beschäftigte die Beklagte in der
Niederlassung insgesamt acht Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer war noch als
Datenschutzbeauftragter bestellt. Eine Abberufung erfolgte vor Ausspruch der
Kündigung nicht.
Das Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht erachteten die Kündigung als
unwirksam, da der Arbeitnehmer aufgrund seiner Stellung als Datenschutzbeauftragter
nach § 4f Abs. 3 Satz
5 BDSG a.F. ordentlich nicht kündbar sei. Die hiergegen gerichtete Revision des
Arbeitgebers war vor dem Bundesarbeitsgericht erfolgreich.
Gründe:
Das BAG kam – entgegen der Vorinstanzen – zu dem Ergebnis, dass die Kündigung nicht wegen des Sonderkündigungsschutzes gem. § 4f Abs. 3 Satz 5 BDSG aF unwirksam ist.
Zwar sei die Bestellung zum Datenschutzbeauftragten nicht bereits deshalb unwirksam, da dem Arbeitnehmer als Geschäftsleiter möglicherweise die notwendige Zuverlässigkeit für dieses Amt gefehlt habe. Denn aus dem BDSG a.F. folge grundsätzlich nicht die Nichtigkeit der Bestellung bei fehlender Zuverlässigkeit des Datenschutzbeauftragten.
Der Kläger kann sich jedoch nicht auf den Sonderkündigungsschutz eines Datenschutzbeauftragten
berufen, da der Arbeitgeber bei Zugang der Kündigung nicht in der Regel mehr
als neun Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung
personenbezogener Daten beschäftigte und somit die Bestellung eines Datenschutzbeauftragten
nicht mehr gesetzlich vorgeschrieben gewesen ist.
Ein Absinken der Beschäftigtenzahl unter den Schwellenwert des § 4f Abs. 1 Satz
4 BDSG aF während der Tätigkeit als
Beauftragter für den
Datenschutz führt dazu, dass
dessen Sonderkündigungsschutz
nach § 4f Abs. 3 Satz
5 BDSG aF entfällt, ohne dass
es eines Widerrufs der Bestellung durch den Arbeitgeber bedarf.
Endet durch ein Unterschreiten des Schwellenwerts des § 4f Abs. 1 Satz
4 BDSG aF die Funktion als verpflichtender Beauftragter für den
Datenschutz, beginnt der nachwirkende Sonderkündigungsschutz des § 4f Abs. 3 Satz 6 BDSG aF. Es handelt sich auch insoweit um eine Abberufung
im Sinne der Bestimmung.
Vor diesem Hintergrund konnte die Erfurter Richter nicht selbst entscheiden, ob
die Kündigung im Ergebnis wirksam gewesen ist. Dem Kläger könnte nämlich ein
nachwirkender Kündigungsschutz nach § 4f Abs. 3 Satz 6 BDSG aF zustehen, abhängig davon, zu welchen Zeitpunkt
die Beschäftigtenzahl unter den Schwellenwert des § 4f Abs. 1 Satz
4 BDSG aF gesunken ist. Da hierzu bisher keine Feststellungen getroffen wurden,
wurde der Rechtsstreit an das LAG zurückzuverweisen.
Praxistipp:
Besondere Praxisrelevanz erhält das Urteil aufgrund einer zum 26.11.2019 eingetretenen Gesetzesänderung.
Mit dem zweiten Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die DSGVO wurde in § 38 Abs. 1 S. 1 BDSG die maßgebliche Personenzahl, ab der verpflichtend ein Datenschutzbeauftragter zu benennen ist, von 10 auf 20 Mitarbeiter angehoben, die ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten betraut sind.
Infolgedessen dürften Datenschutzbeauftragte in Kleinbetrieben, mit mehr als 10, aber weniger als 20 Bildschirmarbeitsplätzen in Anwendung des besprochenen BAG-Urteils mit Inkrafttreten der Gesetzesänderung ihren Sonderkündigungsschutz verloren haben. Dieser Kündigungsschutz wirkt nun bis zum 26.11.2020 nach.
Etwas anderes könnte jedoch in Betrieben gelten,
-deren Kerntätigkeit in der Durchführung von Verarbeitungsvorgängen besteht, welche aufgrund ihrer Art, ihres Umfangs und/oder ihrer Zwecke eine umfangreiche regelmäßige und systematische Überwachung von betroffenen Personen erforderlich machen,
oder
-deren Kerntätigkeit in der umfangreichen Verarbeitung sog. sensitiver Daten (Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung ) oder von personenbezogenen Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten gemäß Artikel 10 besteht.
Denn in diesem Fällen besteht nach Art. 37 DSGVO eine Pflicht zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten. In diesen Fällen genießen Datenschutzbeauftragten auch in Betrieben mit weniger als 20 Mitarbeitern, die ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten betraut sind, Sonderkündigungsschutz.