06.11.2020

BAG: Unwirksamer Betriebsratsbeschluss wegen fehlerhafter Einberufung

Im aktuellen Beschluss des BAG vom 28.07.2020 (1 ABR 5/19) hatte das Gericht über die Auswirkung formaler Fehler auf die Wirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses zu entscheiden.

Sachverhalt:

Die Arbeitgeberin hatte im Rahmen eines Betriebsübergangs den Betriebsrat um Zustimmung zu personellen Einzelmaßnahmen ersucht. Der von seiner Arbeitspflicht nach § 38 Abs. 1 BetrVG vollständig freigestellte Betriebsratsvorsitzende war in der Zeit arbeitsunfähig krankgeschrieben, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende urlaubsbedingt abwesend. Ein Betriebsratsmitglied lud daraufhin über den passwortgeschützten E-Mail Account des Betriebsratsvorsitzenden – angeblich in dessen Anwesenheit – zur Betriebsratssitzung ein und unterzeichnete die E-Mail mit seinem eigenen Namen. Der Betriebsratsvorsitzende nahm an der folgenden Betriebsratssitzung lediglich als „Gast“ teil. Die verbleibenden Betriebsratsmitglieder beschlossen einstimmig, die Zustimmung zu den personellen Einzelmaßnahmen zu verweigern. Die Arbeitgeberin setzte die personellen Einzelmaßnahmen um, leitete aber keine Zustimmungsersetzungsverfahren ein.

Der Betriebsrat begehrte in der Folge, der Arbeitgeberin aufzugeben, ein Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten. Die Vorinstanzen wiesen dies zurück.  

Entscheidung:

Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Ein Zustimmungsersetzungsverfahren ist nur dann notwendig, wenn der Betriebsrat den personellen Einzelmaßnahmen wirksam widersprochen hat. Ein wirksamer Beschluss setzt grundsätzlich die Ladung durch den Betriebsratsvorsitzenden oder seinen Stellvertreter voraus. Die vorliegend über den E-Mail Account des Betriebsratsvorsitzenden verschickte Einladung zur Betriebsratssitzung stellt keine wirksame Ladung dar. Denn ein von der Arbeitspflicht vollständig freigestellter Betriebsratsvorsitzender, der arbeitsunfähig erkrankt ist, kann keine Amtshandlungen vornehmen. Aufgrund der attestierten Arbeitsunfähigkeit ist das freigestellte Betriebsratsmitglied in seiner Amtsfähigkeit gehindert. Um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden, gilt die Verhinderung für alle Amtsgeschäfte. Die Ladung ist daher fehlerhaft. Eine fehlerhafte Ladung stellt einen groben Verstoß gegen die wesentliche Verfahrensvorschrift des § 29 Abs. 2 Satz 1, 3 BetrVG dar. Der Gesetzgeber sieht mit dieser Regelung bewusst vor, dass nur der Betriebsratsvorsitzende oder sein Stellvertreter eine Betriebsratssitzung einberufen können. Eine Ladung durch ein anderes Mitglied des Betriebsrats ist nicht vorgesehen, da hierdurch eine strukturierte und zielorientiere Arbeit des Betriebsrats gefährdet würde.

Das BAG hält diese Vorschrift dabei für so wesentlich, dass ein Verstoß hiergegen zur Unwirksamkeit des Betriebsratsbeschlusses führt.

Praxishinweis:

Mit diesem Beschluss gibt das BAG sowohl Arbeitgebers als auch Betriebsräten klare Regeln an die Hand.

Eine wirksame Entgegennahme einer Erklärung vom Arbeitgeber wie auch eine ordnungsgemäße Ladung zu einer Betriebsratssitzung kann nur durch den Vorsitzenden bzw. dessen Stellvertreter erfolgen. Sind beide verhindert, gehen dem Betriebsrat Mitteilungen schon gar nicht zu.

Beschlüsse eines Betriebsrats, welche die restlichen Mitglieder in einer Sitzung gefasst haben, zu der nicht ordnungsgemäß geladen wurde, sind unwirksam.

Handlungen, die ein vollständig freigestellter Betriebsratsvorsitzender während einer Arbeitsunfähigkeit vornimmt, entfalten keine Wirksamkeit.

Kommt es dem Arbeitgeber auf einen wirksamen Betriebsratsbeschluss an, sollte er im Vorfeld darauf achten, dass die Handlungs- und Beschlussfähigkeit des Betriebsrats besteht.