13.11.2020

Kürzungen der Corona-Entschädigung rechtswidrig

In zahlreichen Bescheiden der Regierung von Unterfranken in den letzten Wochen über Entschädigungsansprüche nach § 56 Infektionsschutzgesetz wurde eine Entschädigung für Verdienstausfall erst ab dem fünften Quarantänetag bewilligt. Für die ersten vier Tage sei kein Entschädigungsanspruch gegeben, weil der Arbeitgeber Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB zu leisten habe. Nach unserer Überzeugung ist diese Rechtsauffassung der Regierung von Unterfranken rechtswidrig. Eine Klage gegen die Bescheide wird dringend empfohlen.

Hintergrund:

Nach § 56 Abs. 1 IfSG erhält eine Entschädigung in Geld, wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 IfSG Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet (= angeordnete Quarantäne). Bei Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen, die Entschädigung für die zuständige Behörde auszuzahlen. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet. Einen solchen Anspruch gibt es für Personen, die im Zuge einer Schließung der Schule oder der Kita ihre minderjährigen Kinder zu betreuen haben und deshalb einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen können.

Entscheidend ist hier die Voraussetzung „und dadurch einen Verdienstausfall erleidet“. Wer keinen Verdienstausfall hat, weil er aufgrund anderer Voraussetzungen, z.B. Arbeitszeitkonto, Urlaub o. ä., Entgelt bekommt, erhält selbstverständlich keine Entschädigung, da keine Verluste entstehen.

Die Regierung von Unterfranken hat nun § 616 BGB für sich entdeckt. Diese altehrwürdige Vorschrift, die aktuelle Fassung entspricht der Urfassung von 1896, lautet wie folgt: “ Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. “ Diese Vorschrift hat zu ihrem Beginn die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geregelt, die nunmehr im Entgeltfortzahlungsgesetz festgeschrieben ist. Trotzdem hat diese Vorschrift heute noch eine Bedeutung, nämlich bei Arbeitsverhinderung ohne Krankheit. Das ist bei einer Quarantäne auch grundsätzlich der Fall.

Fehlerhafte Rechtsanwendung

Die Regierung von Unterfranken kommt aber nun auf den Gedanken, diese Vorschrift pauschal für vier Tage heranzuziehen und verkennt hierbei die tatsächliche Bedeutung dieser Vorschrift. Denn eine wesentliche Voraussetzung für den Erhalt des Vergütungsanspruchs, nicht nur für seine Begrenzung (BAG [GS] 18.12.1959 AP BGB § 616 Nr. 22), ist die Verhinderung für einen unerheblichen Zeitraum. Dauert die Verhinderung also länger an, so entfällt ein Anspruch vollständig (ErfK/Preis, 20. Aufl. 2020, BGB § 616 Rn. 10a). Die herrschende Meinung und die Rechtsprechung gehen – ohne eine feste Höchstdauer zu definieren – einhellig davon aus, dass eine Verhinderung von nur wenigen Tagen nicht erheblich ist, das sind i.d.R. 4 – 5 Tage, dauert die Verhinderung aber länger als nur wenige Tage, ist von einem erheblichen Zeitraum auszugehen.

Das sieht offenbar auch die Regierung von Unterfranken so, indem sie für die ersten vier Tage der Quarantäne einen Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 616 BGB annimmt.

Die Regierung von Unterfranken verkennt allerdings die absolut unbestrittene herrschende Meinung, nach der der Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den gesamten Zeitraum entfällt, wenn der Zeitraum der Verhinderung insgesamt erheblich ist. Bei einer Anordnung einer Quarantäne, die üblicherweise 14 Tage dauert, ist aber von einem erheblichen Zeitraum auszugehen. Dabei entfällt der Entgeltfortzahlungsanspruch für den Arbeitnehmer also für den gesamten Zeitraum und nicht erst ab dem fünften Tag. Bei § 616 BGB gilt also das Prinzip „ganz oder gar nicht“. Die Rechtsauffassung der Regierung von Unterfranken ist daher nicht haltbar.

Fazit:

ArbeitnehmerInnen, die durch das zuständige Gesundheitsamt unter Quarantäne gestellt werden, haben daher einen Anspruch auf Erstattung ihrer Vergütung für die gesamte Dauer der Quarantäne. Die gegenteilige Auffassung der Regierung von Unterfranken ist falsch. Da der Arbeitgeber jedoch als Auszahlungsstelle der Behörden dient, kann es dem Arbeitnehmer letztendlich egal sein, da er das Geld in dieser Zeit erhält– von wem auch immer. Der Arbeitgeber hat aber selbst die Möglichkeit, seinen Erstattungsanspruch gerichtlich geltend zu machen, da er ja auf den Kosten sitzen bleiben würde. Hierzu ist dringend zu raten. Gerne stehen wir Ihnen hier zur Verfügung.

In unseren Verträgen empfehlen wir grundsätzlich, die Anwendung des § 616 BGB auszuschließen. Das ist rechtlich möglich und vermeidet, wie im vorliegenden Fall, unnötigen Ärger. Das anerkennt auch die Regierung von Unterfranken.