07.04.2021

LAG Düsseldorf: Kürzung des Urlaubsanspruchs wegen Kurzarbeit zulässig!

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urt. v. 12.3.2021, Az. 6 Sa 824/20) hat entschieden, dass Arbeitnehmer für Kalendermonate, in denen sie wegen Kurzarbeit Null durchgehend nicht gearbeitet haben, keine Urlaubsansprüche erwerben. Der Arbeitgeber kann den Jahresurlaub daher anteilig um 1/12 kürzen. Damit hat sich nun erstmals ein Instanzgericht mit dieser äußerst praxisrelevanten Frage auseinandergesetzt – es hat aber auch ausdrücklich die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Welche Konsequenzen hat Kurzarbeit auf den Urlaubsanspruch der betroffenen Mitarbeiter? Seit Beginn der Corona-Pandemie handelt es sich hierbei um eine der praxisrelevantesten Fragen des Arbeitsrechts. Eine höchstrichterliche Beantwortung dieser Frage durch das Bundearbeitsgericht steht bislang aus. Nun hat erstmals ein zweitinstanzlich zuständiges Landesarbeitsgericht zu dieser Frage Stellung genommen.   

Sachverhalt

Geklagt hatte eine Verkaufshilfe in einem Systemgastronomiebetrieb, deren Arbeitszeit infolge der Corona-Pandemie in den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 auf Null reduziert wurde. Sie war der Auffassung, dass Kurzarbeit keinen Einfluss auf ihren Urlaubsanspruch habe, da diese nicht auf ihren Wunsch, sondern auf Verlangen der Beklagten eingeführt wurde. Kurzarbeit sei auch keine Freizeit, da die Beklagte die Kurzarbeit jederzeit vorzeitig beenden konnte, was sie – zusammen mit der ihr auferlegten Meldepflicht – in ihrer Freizeitgestaltung erheblich beeinträchtigte. Die Beklagte hingegen sah den Urlaubsanspruch der Klägerin bereits als erfüllt an, da die beiderseitigen Leistungspflichten während der Kurzarbeit (vorübergehend) suspendiert seien.

Entscheidung

Das LAG wies die Klage ebenso wie die Vorinstanz (ArbG Essen, Urt. v. 6.10.2020, 1 Ca 2155/20) ab. Kurzarbeitende seien mit dem Wegfall der beiderseitigen Leistungspflichten wie vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer zu behandeln, deren Urlaubsansprüche (unstreitig) anteilig zu kürzen sind. Das LAG bezieht sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH (Urt. v. 8.11.2012, Az. C-229/11, C-230/11 – Heilmann, Toltschin; Urt. v. 13.12.2018 – C 385/17 – Hein)), der bereits im Jahr 2012 klargestellt hat: Nach europäischem Recht muss kein Urlaub gewährt werden, wenn durch „Kurzarbeit Null“ keine Arbeitspflicht bestand. Anders als im Falle einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit könne sich ein in Kurzarbeit befindlicher Arbeitnehmer ausruhen oder Freizeittätigkeiten nachgehen. Der Kurzarbeiter sei daher wie ein Teilzeitbeschäftigter zu behandeln.

Praxishinweis

Eine abschließende Klärung durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) steht aus. Das LAG Düsseldorf hat die Revision zugelassen. Es bleibt somit abzuwarten, wie das BAG sich zu dieser Rechtsfrage stellt.

Insoweit gilt es jedoch zu beachten, dass sich die Rechtsprechung des BAG in den letzten Jahren den vom EuGH entwickelten Grundsätzen zur Auswirkung der Suspendierung/Verminderung der Arbeitspflicht auf den Umfang des Urlaubsanspruchs angenähert hat. So hat das BAG im Jahr 2019 entschieden, dass für die Berechnung des gesetzlichen Mindesturlaubs Zeiten eines unbezahlten Sonderurlaubs nicht berücksichtigt werden. Mangels Arbeitspflicht stehe dem Arbeitnehmer auch kein Anspruch auf Urlaub zu.  (BAG, Urt. v. 19.03.2019 – 9 AZR 315/17). Selbiges gilt für Zeiten der Freistellungsphase im Rahmen von Altersteilzeit. Auch während dieser Zeiten muss der Arbeitnehmer nicht mehr arbeiten, so dass insoweit kein Urlaubsanspruch entsteht.

Es wäre daher nur folgerichtig, wenn das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung des Landesarbeitsgericht Düsseldorf bestätigen würde. Wir halten Sie diesbezüglich auf dem Laufenden.