12.05.2022

Ersatzruhetage für Feiertagsarbeit

BAG, Urteil v. 08.12.2021 – 10 AZR 641/19

Das Arbeitszeitgesetz sieht für Arbeitnehmer, die an einem gesetzlichen Feiertag beschäftigt werden, in § 11 Abs. 3 S. 2 ArbZG einen Ersatzruhetag innerhalb eines Zeitraums von 8 Wochen nach dem Feiertagsdienst vor. Hierzu hatte das Bundesarbeitsgericht folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Sachverhalt

Die Beklagte ist ein Logistikdienstleiter. Der Kläger ist in ihrem Distributionszentrum in Vollzeit ausschließlich in der Nachtschicht beschäftigt. Er arbeitet regelmäßig an fünf Tagen in der Woche. Die Nachtschicht beginnt zwischen 18:00 Uhr und 19:00 Uhr und endet am Folgetag zwischen 2:00 Uhr und 3:30 Uhr. An einem jeweils wechselnden Werktag wird dem Kläger in jeder Woche ein sog. „Rolltag“ gewährt. Er hat dann nach Schichtende frei und nimmt die Arbeit erst am Abend des darauffolgenden Werktags wieder auf. Der Kläger wird dabei regelmäßig an werktäglichen Feiertagen eingesetzt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Manteltarifvertrag für Arbeitnehmer im Groß- und Außenhandel Nordrhein-Westfalen i.d. seit dem 1.1.2012 (MTV 2012) geltenden Fassung Anwendung.

Die Vorinstanzen gaben dem Feststellungsantrag des Klägers statt und stellten fest, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm bei einem Einsatz an einem auf einen Werktag fallenden Feiertag einen Ersatzruhetag an einem Werktag von 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr zu gewähren.

Entscheidung des BAG

Auch nach Ansicht des BAG hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf einen Ersatzruhetag in Form eines von 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr arbeitsfreien Werktags nach § 11 III 2 ArbZG, wenn er an einem auf einen Werktag fallenden Feiertag beschäftigt wird. Der arbeitsvertraglich wirksam in Bezug genommene MTV 2012 schließe den Anspruch auf Ersatzruhetage nicht aus. Zwar könne nach § 12 S. 1 Nr. 2 ArbZG in einem Tarifvertrag vereinbart werden, dass abweichend von § 11 III 2 ArbZG keine Ersatzruhetage gewährt werden müssen, einen solchen Willen müssten die Tarifvertragsparteien aber zumindest ansatzweise zum Ausdruck bringen. Dies sei im MTV 2012 nicht geschehen. Allein die Regelung eines Feiertagszuschlags rechtfertige nicht die Annahme, der Zuschlag solle „anstelle“ eines Ersatzruhetags gezahlt werden. Ein Ersatzruhetag i.S.d. § 11 III 2 ArbZG sei ein Werktag, an dem der Arbeitnehmer von 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr keine Arbeitsleistung erbringe. Als Ersatzruhetag sei dagegen kein individueller Zeitraum mit einer Dauer von 24 Stunden zu verstehen. Dies ergebe sich aus der Auslegung der Norm. Nach dem allgemeinen Wortverständnis bezeichne ein „Tag“ regelmäßig einen Kalendertag von 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr. Die Systematik sowie Sinn und Zweck des ArbZG würden diese Annahme ebenfalls stützen. Mit § 9 ArbZG habe der Gesetzgeber die gem. Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV garantierte Institution von Sonn- und Feiertagen so ausgestaltet, dass sich die Feiertagsruhe auf den ganzen Tag erstreckt (von 0:00 Uhr bis 24:00 Uhr). Zudem diene § 11 III 2 ArbZG dem Schutz der Gesundheit und Sicherheit des Arbeitnehmers. Dieser Auslegung stehe auch das Unionsrecht nicht entgegen. Wenn Arbeitnehmer in einer Fünf-Tage-Woche beschäftigt werden, könne ein ohnehin arbeitsfreier Werktag zwar Ersatzruhetag i.S.v. § 11 III 2ArbZG sein und er könne auch durch einen Schichtplan „gewährt“ werden, ohne dass er ausdrücklich als solcher bezeichnet werden müsse. Der wöchentliche „Rolltag“, den die Beklagte gewährt, entspreche jedoch nicht den Anforderungen an einen Ersatzruhetag i.S.v. § 11 III 2 ArbZG.

Das BAG formulierte dazu folgende Orientierungssätze für den Rechtsanwender:

1. Werden Arbeitnehmer an einem auf einen Werktag fallenden Feiertag beschäftigt, müssen sie nach § 11 III 2 ArbZG einen Ersatzruhetag haben. Ein Ersatzruhetag in diesem Sinne ist ein Werktag, an dem der Arbeitnehmer von 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr keine Arbeitsleistung erbringt. Ein davon abweichender individueller Zeitraum mit einer Dauer von 24 Stunden genügt nicht.

2. Nach § 12 S. 1 Nr. 2 ArbZG kann in einem Tarifvertrag vereinbart werden, dass abweichend von § 11 III 2 ArbZG keine Ersatzruhetage gewährt werden müssen. Einen solchen Willen müssen die Tarifvertragsparteien aber zumindest ansatzweise zum Ausdruck bringen.