Neue Anforderung an Rückzahlungsklauseln
Rückzahlungsklauseln für Fortbildungskosten, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer übernommen hat, unterliegen als Allgemeine Geschäftsbedingung der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB und müssen transparent und angemessen sein. In jahrelanger Rechtsprechung haben sich bereits die Bindungszeiten, die – abhängig von Höhe der Kosten und Dauer der Fortbildung – dem Arbeitnehmer auferlegt werden können immer weiter konkretisiert. Auch bekannt ist, dass zwischen den Fällen der Eigenkündigung und der Arbeitgeberkündigung differenziert werden muss.
In einem aktuellen Urteil vom 01.03.2022 (9 AZR 260/21) geht das BAG nun noch weiter ins Detail:
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Fortbildungskosten. Die Klägerin betreibt eine Reha-Klinik, bei der die Beklagte vom 01.06.2017 bis 31.01.2020 als Altenpflegerin angestellt war. Am 10.02.2019 schlossen die Parteien einen Fortbildungsvertrag, der eine Fortbildung im Zeitraum von Juni bis Dezember 2019 an 18 Arbeitstagen vorsah. Die Kosten für die Teilnahme beliefen sich insgesamt auf 4.090 EUR. Im Fortbildungsvertrag verpflichtete sich die Beklagte, das Arbeitsverhältnis nach dem Ende der Fortbildung für mindestens 6 Monate fortzusetzen. Scheidet sie dagegen „aufgrund einer eigenen ordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden oder einer eigenen außerordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden Kündigung oder aufgrund einer vom Arbeitsgeber erklärten verhaltensbedingten ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung“ vor Ablauf der Bindungsfrist aus, hat die Beklagte die Kosten zurückzuzahlen. Für jeden vollen Monat der Beschäftigung nach Ende der Fortbildung verringert sich der Rückzahlungsbetrag um 1/6. Die Beklagte schloss die Fortbildung am 3.12.2019 erfolgreich ab. Bereits mit Schreiben vom 29.11.2019 kündigte sie jedoch das Arbeitsverhältnis. Die Klägerin forderte daraufhin anteilige Fortbildungskosten i.H.v. 2.726,68 EUR zurück.
Das ArbG und das LAG wiesen die Klage ab.
Urteil:
Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des BAG hat die Klägerin keinen Anspruch auf Rückzahlung der Fortbildungskosten, da die Regelung einer Inhaltskontrolle nach § 307 I 1 BGB nicht Stand halte.
Das BAG stellt zunächst fest, dass die Rückzahlungsklausel zwischen verschiedenen Beendigungstatbeständen differenziere. Sie knüpfte die Rückzahlungspflicht an sämtliche Eigenkündigungen des Arbeitnehmers, die nicht auf einem vom Arbeitsgeber zu vertretenen Grund beruhten. Damit erstrecke sich der Anwendungsbereich auch auf eine Kündigung, die der Arbeitnehmer ausspreche, weil er unverschuldet und ohne Verursachungsbeitrag des Arbeitsgebers aus Gründen in seiner Person dauerhaft nicht (mehr) in der Lage sei, die Qualifikation im Rahmen der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung zu nutzen. Eine solche Rückzahlungsklausel führe zu einer unangemessenen Benachteiligung und sei daher unwirksam. Zwar seien einzelvertragliche Vereinbarungen über die Rückzahlung von Fortbildungskosten grundsätzlich zulässig. Es sei aber nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Vielmehr müsse die Erstattungspflicht – auch dem Umfang nach – dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zumutbar sein. Eine Rückzahlungspflicht sei unangemessen benachteiligend, wenn sie auch den Arbeitnehmer, der das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsfrist kündige, weil es ihm unverschuldet dauerhaft nicht möglich sei, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, zur Erstattung der Fortbildungskosten verpflichten soll. Die durch den Fortbildungsvertrag bewirkte Bindung an das Arbeitsverhältnis benachteilige die Beklagte auch deshalb unangemessen, weil die Beschränkung der durch Art. 12 I 1 GG gewährleisteten arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers bei dessen Leistungsunfähigkeit nicht durch den Ausbildungsvorteil ausgeglichen werde.
Praxistipp:
Die Anforderungen an Rückzahlungsvereinbarungen werden immer umfangreicher. Zusätzlich zu der Voraussetzung, dass eine solche Regelung unbedingt vor Beginn der Fortbildung abzuschließen ist, sind auch inhaltlich immer höhere Anforderungen zu befriedigen. Gerne sind wir Ihnen bei derartigen Vorhaben behilflich.