Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – bei Teilzeitlern?
Seit jeher gibt es Kontroversen zwischen Arbeitgebern und Teilzeitarbeitnehmern, inwiefern letztere mit Vollzeitarbeitnehmern gleichbehandelt werden müssen. Zwar erbringen sie in ihrer gegenüber einem Vollzeitmitarbeiter kürzeren Arbeitszeit die gleiche Arbeitsleistung. Es tun sich jedoch nicht nur bei dem Thema Mehrarbeit und Überstunden, sondern auch in einigen anderen Bereichen faktische Unterschiede auf. In § 4 Abs. 1 TzBfG gibt der Gesetzgeber bereits den Arbeitgebern vor, dass ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden darf als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftiger Arbeitnehmer, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung. In vorliegender Entscheidung hatte sich das BAG nun mit der Höhe des Stundensatzes für Teil- und Vollzeitler zu beschäftigen (BAG, Urteil vom 18.01.2023 – 5 AZR 108/22).
Sachverhalt:
Der Kläger ist als Rettungsassistent im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses bei der Beklagten tätig. Diese führt im Auftrag eines Rettungszweckverbandes u.a. Notfallrettung und Krankentransporte durch. Sie beschäftigt – nach ihrer Diktion – sog. „hauptamtliche“ Rettungsassistenten in Voll- und Teilzeit, denen sie im Streitzeitraum eine Stundenvergütung von 17 EUR brutto zahlte. Daneben sind sog. „nebenamtliche“ Rettungsassistenten tätig, die eine Stundenvergütung von 12 EUR brutto erhalten. Hierzu gehört der Kläger. Die Beklagte teilt die nebenamtlichen Rettungsassistenten nicht einseitig zu Diensten ein. Diese können vielmehr Wunschtermine für Einsätze benennen, denen die Beklagte versucht, zu entsprechen. Ein Anspruch hierauf besteht allerdings nicht. Zudem teilt die Beklagte den nebenamtlichen Rettungsassistenten noch zu besetzende freie Dienstschichten mit und bittet mit kurzfristigen Anfragen bei Ausfall von hauptamtlichen Rettungsassistenten um Übernahme eines Dienstes. Im Arbeitsvertrag des Klägers ist eine durchschnittliche Arbeitszeit von 16 Stunden pro Monat vorgesehen. Darüber hinaus ist bestimmt, dass er weitere Stunden leisten kann und verpflichtet ist, sich aktiv um Schichten zu kümmern.
Mit seiner Klage hat der Kläger zusätzliche Vergütung i.H.v. 3.285,88 EUR brutto für die Zeit von Januar 2020 bis April 2021 verlangt. Die unterschiedliche Stundenvergütung im Vergleich zu den hauptamtlichen Mitarbeitern stelle eine Benachteiligung wegen seiner Teilzeittätigkeit dar. Die Beklagte hält die Vergütungsdifferenz für sachlich gerechtfertigt, weil sie mit den hauptamtlichen Rettungsassistenten größere Planungssicherheit und weniger Planungsaufwand habe. Diese erhielten zudem eine höhere Stundenvergütung, weil sie sich auf Weisung zu bestimmten Diensten einfinden müssten.
Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des ArbG abgeändert und die Beklagte zur Zahlung der geforderten Vergütung verurteilt.
Urteil des BAG:
Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten blieb vor dem 5. Senat des BAG ohne Erfolg. Das Berufungsgericht habe – heißt es in der Pressemitteilung – richtig erkannt, dass die im Vergleich zu den hauptamtlichen Rettungsassistenten geringere Stundenvergütung den Kläger entgegen § 4 I TzBfG ohne sachlichen Grund benachteilige. Die haupt –und nebenamtlichen Rettungsassistenten seien gleich qualifiziert und übten die gleiche Tätigkeit aus. Der von der Beklagten pauschal behauptete erhöhte Planungsaufwand bei der Einsatzplanung der nebenamtlichen Rettungsassistenten bilde keinen sachlichen Grund zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung. Es sei bereits nicht erkennbar, dass dieser Aufwand unter Berücksichtigung der erforderlichen „24/7-Dienstplanung“ und der öffentlich-rechtlichen Vorgaben zur Besetzung der Rettungs- und Krankenwagen signifikant höher sei. Auch wenn man unterstelle, dass die Beklagte durch den Einsatz der hauptamtlichen Rettungsassistenten mehr Planungssicherheit habe, weil sie diesen einseitig Schichten zuweisen könne, sei sie hierbei jedoch nicht frei. Sie unterliege vielmehr u.a. durch das ArbZG vorgegebenen Grenzen in Bezug auf die Dauer der Arbeitszeit und die Einhaltung der Ruhepausen. Die nebenamtlichen Rettungsassistenten bildeten insoweit ihre Einsatzreserve. Unerheblich sei, dass diese frei in der Gestaltung der Arbeitszeit seien. Die Beklagte lasse insoweit unberücksichtigt, dass diese Personengruppe weder nach Lage noch nach zeitlichem Umfang Anspruch auf Zuweisung der gewünschten Dienste habe. Dass sich ein Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers zu bestimmten Dienstzeiten einfinden müsse, rechtfertige in der gebotenen Gesamtschau keine höhere Stundenvergütung gegenüber einem Arbeitnehmer, der frei sei, Dienste anzunehmen oder abzulehnen.
Praxishinweis:
Nicht zuletzt aufgrund des § 4 Abs. 1 TzBfG ist der Anspruch der Rechtsprechung an die Qualität eines sachlichen Grundes zur unterschiedlichen Behandlung von Teilzeit- und Vollzeitmitarbeitern nach wie vor hoch. Neben einem Unterscheidungskriterium vielmehr auch eine Rechtfertigung für eine ungleiche Behandlung vorliegen. Arbeitgeber sollten nur in eindeutigen Fällen vom absoluten Regelfall der Gleichbehandlung abweichen.