17.03.2023

Entgeltgleichheit von Männern und Frauen

Sachverhalt

Die Klägerin, welche seit dem 01. März 2017 bei der Beklagten als Vertriebs-Außendienstmitarbeiterin beschäftigt ist, klagte sich – nachdem sie herausfand, dass sie weniger verdiente als ihr männlicher Kollege, welcher die gleiche Arbeit verrichtete – durch drei Instanzen. Mit Erfolg.

Die Verdienstdifferenz betrug in verschiedenen Zeiträumen brutto 500,00 Euro bis 1.000,00 Euro.

Der Arbeitgeber begründete den Verdienstunterschied unter anderem damit, dass der Kollege bei der Einstellung ein höheres Grundentgelt bzw. dessen Anstieg nach einer bestimmten Zeit ausgehandelt habe. Tatsächlich wurden der Klägerin und ihrem männlichen Kollegen bei der Einstellung jeweils ein Grundentgelt in Höhe von brutto 3.500,00 Euro angeboten. Die Klägerin nahm dies an, wohingegen der Kollege ablehnte und nachverhandelte. Dem gab der Arbeitgeber nach. Hinzu kam eine spätere Gehaltserhöhung des Kollegen, die der Arbeitgeber damit begründete, dass der männliche Kollege einer ausgeschiedenen, besser vergüteten Vertriebsmitarbeiterin nachgefolgt sei. Dies sei ihm zudem bereits bei der Einstellung in Aussicht gestellt worden.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von ihrem beklagten Arbeitgeber die Zahlung rückständiger Vergütung. Dabei hat sie die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber müsse ihr ein ebenso hohes Grundgehalt zahlen wie ihrem fast zeitgleich eingestellten männlichen Kollegen. Die folge daraus, dass sie die gleiche Arbeit wie ihr männlicher Kollege verrichtet. Zudem schulde ihr der Arbeitgeber die Zahlung einer angemessenen Entschädigung nach dem Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG)

Entscheidung

In seinem Urteil vom 16. Februar 2023 (Az. 8 AZR 450/21) entschied das Bundesarbeitsgericht, dass bestehende Verdienstunterschiede von Frauen und Männern durch den Arbeitgeber nicht damit begründet werden können, dass der Mann besser verhandelt habe oder aus Arbeitgebersicht perspektivisch für einen Leitungsjob vorgesehen sei.

Mit seinem Urteil widerspricht das BAG den beiden Vorinstanzen. Zuvor hatte das Arbeitsgericht Dresden die Klage abgewiesen; Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin vor dem Landesarbeitsgericht Sachsen blieb auch ohne Erfolg.

Nach Ansicht des BAG hat der beklagte Arbeitgeber die Klägerin aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt, da er ihr ein niedrigeres Grundgehalt gezahlt hat, obwohl beide die gleiche Arbeit verrichteten. Aus diesem Grund habe die Klägerin einen Anspruch nach Art. 157 AEUV, §§ 3 Abs. 1, 7 EntgTranspG auf das gleiche Grundgehalt wie dieser. Der Umstand, dass die Klägerin für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Grundgehalt erhalten hat als ihr männlicher Kollege, begründet bereits die Vermutung nach § 22 AGG, dass die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt ist. Dem beklagten Arbeitgeber ist es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen.

Ziel des Entgelttransparenzgesetzes ist es, das Gebot des Gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durchzusetzen. Zu diesem Zweck schafft es einen rechtlichen Rahmen für Rechte, die die Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen durchsetzen sollen. Neben Auskunftsansprüchen (§§ 10 ff. EntgTranpG) haben betroffene Beschäftigte auch einen Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit ohne Diskriminierung des Geschlechts (§§ 3 Abs. 1, 7 EntgTranspG).

Praxisrelevanz

Schon vor der Veröffentlichung der eigentlichen Entscheidungsgründe sorgt die Entscheidung des BAG aufgrund der enormen Praxisrelevanz für viel Aufmerksamkeit. Mit der Entscheidung ist eine erhebliche Einschränkung der Vertragsfreiheit von Arbeitgebern und Beschäftigten zu befürchten.

Kann eine Arbeitnehmerin aufzeigen, dass ein männlicher Kollege, der eine gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtet, mehr als sie verdient, reicht dies nach Ansicht des BAG aus, um eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten zu lassen. Arbeitgeber können diese Vermutung widerlegen, indem sie darlegen oder beweisen, dass die ungleiche Bezahlung nicht auf dem Geschlecht, sondern auf anderen objektiven Kriterien beruht. Das Entgelttransparenzgesetz nennt in § 3 Abs. 3 Satz 2 EntgTranspG beispielhaft „arbeitsmarkt-, leistungs- und arbeitsergebnisbezogene Kriterien“. In einer früheren Entscheidung erkannte das BAG bereits das Dienstalter als ein solches Kriterium nach § 3 Abs. 3 Satz 2 EntgTranspG an.

Jedenfalls ergibt sich bereits aus der dieser Anmerkung zugrundeliegenden Pressemitteilung des BAG, dass dieses in dem Interesse des Arbeitgebers an der Gewinnung eines Mitarbeiters und der damit einhergehenden konkreten Gehaltsverhandlung, keine objektiven geschlechtsneutralen Kriterien sieht, die die Vermutung der Benachteiligung wegen des Geschlechts widerlegen.

Die Begründung hierfür ergibt sich nicht aus der bereits veröffentlichen Pressemitteilung. Insoweit, als auch in Bezug auf die Frage, welche Kriterien das BAG als objektiv geschlechtsneutral ansieht, bleibt die Veröffentlichung der Entscheidungsgründe des BAG abzuwarten.