BAG zur sachgrundlosen Befristung nach Übernahme eines Leiharbeitnehmers
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Befristung und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über das vereinbarte Befristungsende hinaus.
Der Kläger war in der Zeit vom 13.09.2016 bis 31.08.2019 aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge bei dem Leiharbeitsunternehmen A beschäftigt. Im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses war der Kläger während der gesamten Beschäftigungsdauer an ein Unternehmen der Automobilindustrie – einem Betrieb der späteren Beklagten – als Produktionshelfer zur Arbeitsleistung überlassen. Der Arbeitsvertrag des Klägers enthielt eine Verweisung auf die Tarifverträge für Zeitarbeit zwischen der IG Metall und dem Leiharbeitsunternehmen A. Nach diesem ein einschlägigen Tarifvertrag ist eine Einsatzdauer von Leiharbeitnehmern von maximal 36 aufeinanderfolgenden Monaten zulässig.
Im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnis mit dem Leiharbeitsunternehmen A begründet der Kläger mit der Beklagten ein vom 01.09.2019 bis zum 31.05.2020 befristetes Arbeitsverhältnis als Produktionshelfer. Mit Schreiben vom 12.05.2020 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung ende und keine Anschlussbeschäftigung angeboten werden könne.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit einer Befristungskontrollklage und macht zudem das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten bereits vor dem 01.09.2019 geltend.
Er vertrat die Auffassung, die streitgegenständliche Befristung sei unwirksam, da bereits vor dem 01.09.2019 ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten bestanden habe (1). Die tarifvertragliche Verlängerung und Abweichung von der in AÜG enthaltenen Höchstüberlassungsdauer verstoße gegen EU-Recht und Verfassungsrecht und sei daher rechtswidrig (2). Zudem habe die Beklagte rechtsmissbräuchlich gehandelt.
Entscheidung
Die gegen die Entscheidung des LAG eingelegte Revision der Beklagten vor dem 7. Senat des BAG hatte Erfolg und führte zur vollständigen Abweisung der Klage.
(1) Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts aufgrund der vereinbarten Befristung am 31.05.2020 geendet. Diese ist als sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG zulässig und damit rechtswirksam.
§ 14 Abs. 2 TzBfG lautet: „1Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsverhältnisses zulässig. 2Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. 3Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. 4Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.“
Arbeitgeber im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG sei der Vertragsarbeitgeber. Es komme mithin auf den rechtlichen Bestand eines formellen Arbeitsverhältnisses mit dem Vertragsarbeitgeber an. Eine Vorbeschäftigung liege grundsätzlich nicht allein deshalb vor, weil der befristete Arbeitnehmer zuvor als Leiharbeitnehmer im gleichen Betrieb auf dem gleichen Arbeitsplatz gearbeitet habe. Dem steht vorliegend auch nicht entgegen, das Leiharbeitsunternehmen A und die Beklagte zwar wirtschaftlich miteinander verbunden, rechtlich jedoch selbständig sind.
(2) Die Überlassung des Klägers überschreitet zwar die in § 1 Abs. 1b Satz 2 AÜG festgelegte gesetzliche Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten. Diese sei aber gemäß § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG durch Tarifvertrag wirksam auf 36 Monate verlängert worden, so dass ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten (ehem. Entleiherin) auch nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1b, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG fingiert wird.
Die in § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG festgelegte Höchstüberlassungsdauer für den Einsatz von Leiharbeitnehmern bei der Beklagten konnte gemäß § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG durch Tarifvertrag auch für den Kläger und das Leiharbeitsunternehmen A verlängert werden ohne, dass es auf deren Tarifgebundenheit ankomme. Die umfassende Geltung erfordert allein die Tarifgebundenheit des Entleihers. Dieser durch den Gesetzgeber eingeräumten und von § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG abweichenden Regelungsbefugnis stehe weder Unionsrecht noch Verfassungsrecht entgegen.
Praxishinweise
Durch die Entscheidung bestätigt der Siebte Senat des Bundesarbeitsgericht die Rechtsprechung des Vierten Senats zur Zulässigkeit der Verlängerung der Höchstüberlassungsdauer durch Tarifverträge der Einsatzbranche und setzt diese entsprechend fort.
Das BAG stellte in seiner Urteilsbegründung fest, dass es auch für eine rechtsmissbräuchliche Vertragsgestaltung keine Anhaltspunkte gebe – die tariflich festgelegte Höchstüberlassungsdauer von 36 Monaten sei noch als „vorübergehend“ anzusehen. Insoweit hielt das BAG in einer vorhergehenden Entscheidung eine Höchstüberlassungsdauer von 48 Monaten noch für zulässig BAG, Urteil vom 14.09.2022 – 4 AZR 83/21.