Betriebsübergang: wer oder was geht über?
Bei einem Teilbetriebsübergang auf einen neuen Erwerber ist es manchmal gar nicht so einfach herauszufinden, wer oder was überhaupt von dem Betriebsübergang betroffen ist. Nicht selten erfolgen vor der Übertragung an einen Investor noch Neuordnung und Umstrukturierungen, um den Betrieb so aufzustellen, dass die Wünsche des Erwerbers weitgehend erfüllt werden. Hierum ging es auch in dem Fall, den das BAG am 21.03.2024 (2 AZR 79/23) zur Entscheidung vorliegen hatte.
Sachverhalt:
Der Kläger war bei der Beklagten – einer Kraftfahrzeugherstellerin – beschäftigt, die unter anderem ein Entwicklungszentrum, betrieb. Die Beklagte vereinbarte mit der S GmbH die Übernahme eines Teils dieses Entwicklungszentrums. Die Beklagte ergriff mit Blick auf den anstehenden Betriebsteilübergang einige personelle und organisatorische Maßnahmen und strukturierte den übergehenden Teil deutlich erkennbar um.
Am 25.07.2019 informierte die Beklagte den Kläger über den geplanten Betriebsübergang auf die S GmbH zum 30.08.2019. Dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprach der Kläger im November 2020. Zudem unterrichtete die Beklagte den Kläger am 26.07.2019 über seine Versetzung in die auf die S GmbH übergehende Einheit. Hierauf erklärte der Kläger am 19.08.2019, dass er der Versetzung nur unter Vorbehalt einer gerichtlichen Wirksamkeitsprüfung nachkomme.
Der Kläger vertrag die Ansicht, sein Arbeitsverhältnis sei mangels Betriebsübergang auf die S GmbH nicht übergegangen. Er habe fristwahrend widersprochen, da das Unterrichtungsschreiben fehlerhaft gewesen sei. Im Übrigen sei seine Versetzung rechtwidrig gewesen.
Entscheidung:
Das BAG gab dem Kläger recht.
Die S GmbH habe grundsätzlich eine wirtschaftliche Einheit im Wege eines Betriebsübergangs übernommen. Maßgeblich ist nach Ansicht des BAG, dass die schon vor der Übernahme bestehende Identität des Betriebs(teils) bewahrt wird, wobei unerheblich sei, wie lange die wirtschaftliche Einheit beim Veräußerer vor dem Betriebsübergang bestanden habe. Eine wirtschaftliche Einheit könne grundsätzlich auch allein zum Zweck der Ermöglichung deines Betriebsübergangs geschaffen werden. Es war daher unerheblich, dass die Beklagte den Betriebsteil als wirtschaftliche Einheit nur rund einen Monat vor seinem Übergang geschaffen hatte. Es gilt hier auch die einjährige Unveränderlichkeitsgarantie des Arbeitsverhältnisses nach einem Betriebsübergang nicht § 613a Abs. 4 BGB etwa analog bereits im Vorfeld einer Übertragung.
Auch das Unterrichtungsschreiben stelle ausreichend dar, welche geschäftlichen Tätigkeiten der S GmbH zugeordnet seien. Allerdings fehlte es dem BAG an der Ursächlichkeit eines etwaigen Unterrichtungsmangels für die Willensbildung betreffend die Ausübung des Widerspruchsrechts. An den Inhalt der Unterrichtung über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs dürften keine in der Praxis kaum erfüllbare Anforderungen gestellt werden, wonach das Unterrichtungsschreiben „keinen juristischen Fehler“ enthalten darf. Zudem würden Fehler, die für den Willensbildungsprozess der Arbeitnehmer, ob sie einem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen, in der Regel unerheblich sind, auch nicht dazu führen, dass die Widerspruchsfrist nicht zu laufen beginnt.
Das BAG war jedoch der Ansicht, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, das Recht des Klägers, die Rechtsunwirksamkeit seiner Versetzung geltend zu machen, sei verwirkt.
Praxistipp:
In den vergangenen Jahren hatte das BAG seine Anforderungen an das Unterrichtungsschreiben vor einem (Teil-)Betriebsübergang zunehmend verschärft. Ein allen Anforderungen entsprechendes Unterrichtungsschreiben war selbst für Rechtsanwälte ein kleines Kunststück. Zwar scheint das BAG seine Ansprüche nunmehr etwas an mehr an die Praxis anzupassen. Dennoch ist Vorsicht geboten: An ein Unterrichtungsschreiben sollten weiterhin unbedingt höchste Sorgfaltsmaßstäbe angelegt werden, um ein zeitlich unbegrenztes Widerrufsrecht der Arbeitnehmer zu vermeiden.