05.07.2022

Sachgrundlose Befristung trotz Vorbeschäftigung von sehr kurzer Dauer

Seit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.06.2018 (1 BvL 7/14) wissen wir, dass ein Beschäftigungsverhältnis, das jemals zuvor mit demselben Arbeitgeber bestanden hat, eine sachgrundlose Befristung gem. § 14 Abs. 2 TzBfG hindert. Aber keine Regel ohne Ausnahme:

Sachverhalt:

Zwischen dem Kläger und der Beklagten, die bis ins Jahr 2014 als „H GmbH“ firmierte, bestand in der Zeit vom 21.06.2004 bis 14.08.2004 ein Arbeitsverhältnis. Der Kläger war als Aushilfe beschäftigt. Vom 01.10.2012 bis 28.02.2014, vom 04.08.2016 bis 31.08.2016 sowie ab dem 10.02.2017 war der Kläger im Wege der Arbeitnehmerüberlassung bei der Beklagten tätig. Im Frühjahr/Sommer 2017 suchte die Beklagte ca. 40 Arbeitnehmer als befristete Aushilfen. Noch während seines Einsatzes als Leiharbeitnehmer bewarb sich der Kläger mit Schreiben vom 08.06.2017 um einen Arbeitsplatz als Maschinenbediener. Er wies in dem Bewerbungsschreiben darauf hin, dass er in einem Zeitarbeitsverhältnis stehe und aktuell bei der Beklagten als Maschinenführer eingesetzt sei. Der Kläger fügte seinem Bewerbungsschreiben einen – bezogen auf seine Berufstätigkeit teilweise lückenhaften – Lebenslauf bei, in dem er u.a. angab, in der Zeit vom 01.01.2004 bis 31.12.2004 als Maschinenführer für die „Firma M GmbH“ tätig gewesen zu sein und in der Zeit vom 01.10.2012 bis 28.02.2014 über das Zeitarbeitsunternehmen A bei der „Firma H“ gearbeitet zu haben.

Die Beklagte lud den Kläger zu einem „Bewerber-Informationstag“ am 20.07.2017 ein. Die gestellte Frage, ob er bereits einmal „in unserem Unternehmen (F GmbH) oder deren Rechtsvorgängern (J, AS, H)“ beschäftigt gewesen sei, kreuzte der Kläger mit „nein“ an. Die Frage, ob er schon einmal über ein Zeitarbeitsunternehmen bei der Beklagten beschäftigt gewesen sei, bejahte er. Der Kläger schloss mit der Beklagten unter dem Datum des 21.07.2017 einen befristeten Arbeitsvertrag für tarifliche Arbeitnehmer beginnend ab 01.09.2017 mit einer Tätigkeit als Maschinenführer-Aushilfe. Das Arbeitsverhältnis war zunächst befristet bis 31.12.2017 und wurde durch Zusatzverträge bis 31.08.2019 verlängert.

Mit der am 13.09.2019 beim ArbG eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung zum 31.08.2019 geltend gemacht. Er hat zuletzt vor allem beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgrund des Arbeitsvertrags vom 21.07.2017 mit den Ergänzungen vom 08.12.2017 und 29.10.2018 nicht durch Befristung am 31.08.2019 geendet hat, sondern unverändert fortbestehe und die Beklagte zu verpflichten, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Maschinenführer-Aushilfe weiter zu beschäftigen. ArbG und LAG haben die Klage zurückgewiesen.

Urteil:

Das Gericht nahm an, dass die Befristung des Arbeitsvertrages nach § 14 Abs. 2 TzBfG ohne Rechtsgrund zulässig war.

Die in § 14 II 1 TzBfG genannten Voraussetzungen seien mit der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses von zwei Jahren sowie der zweimaligen Vertragsverlängerung eingehalten. Die Vorbeschäftigung des Klägers vom 21.06.2004 bis zum 14.08.2004 stehe der sachgrundlosen Befristung nicht entgegen. Das Verbot der sachgrundlosen Befristung bei nochmaliger Einstellung sei unzumutbar, soweit keine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten bestehe und das Verbot nicht erforderlich sei, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Entscheidend sei, dass die Vorbeschäftigung des Klägers bei der Beklagten im Sommer 2004 von kurzer Dauer war und immerhin lang zurückgelegen habe. Bei gemeinsamer Wertung beider Kriterien sei anzunehmen, dass die Anwendung von § 14 II 2 TzBfG in diesem Fall für beide Parteien unzumutbar gewesen sei. Damit habe das LAG weder den Rechtsbegriff der Unzumutbarkeit noch jenen der sehr kurzen Beschäftigung verkannt.

Praxishinweis:

Es gibt sie also, die Ausnahmen einer sachgrundlosen Befristung trotz Vorbeschäftigung. Das Gebot der Vorsicht gebietet jedoch vor jeder befristeten Einstellung den Arbeitnehmer nach einer Vorbeschäftigung zu fragen bzw. eine solche selbst zu prüfen. Nur sehr lang zurückliegende, sehr kurze oder hinsichtlich der Tätigkeit grundverschiedene Arbeitsverhältnisse bzw. eine Kombination aus diesen kann eine sachgrundlose Befristung noch wirksam ermöglichen. Was unter „sehr lang her“, sehr kurz“ oder „grundverschieden“ ist, bleibt der Rechtsprechung überlassen. Geht ein Arbeitgeber ein solch vorbelastetes befristetes Arbeitsverhältnis ein, muss er sich des Risikos, dass aus einer unwirksamen Befristung ein unbefristetes Arbeitsverhältnis folgt, bewusst sein.