BAG: Klarheit über Verjährungsfristen
Konsequent – Das Bundesarbeitsgericht bestätigt in seiner Entscheidung vom 31.01.2023, Az. 9 AZR 456/20 ständige Rechtsprechung: Dreijahresfrist für Urlaubsabgeltung bleibt
Im vergangenen Jahr entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 20.12.2022, Az. 9 AZR 266/20) – in Umsetzung einer EuGH-Entscheidung in deutsches Recht – dass gesetzlicher Urlaub, der in einem intakten Arbeitsverhältnis nicht genommen wurde, nicht ohne vorherigen Hinweis des Arbeitgebers verfallen darf. Danach müssen Arbeitgeber in Wahrnehmung ihrer Informationspflicht ihre Arbeitnehmer/innen auf deren Urlaubsansprüche hinweisen und gegebenenfalls warnen, dass diese verfallen.
Mit der damaligen Entscheidung weckte das BAG bei einigen Arbeitnehmern die Hoffnung, dass die Verjährungsfrist auch bei Abgeltungsansprüchen wegfallen würde. Gleichzeitig bestand seitens einiger Arbeitgeber die Befürchtung einer Klageflut durch Arbeitnehmer/innen, welche eine Abgeltung des nicht genommenen Urlaub aus – unter Umständen seit Jahren – beendeten Arbeitsverhältnissen verlangen.
Das Urteil des BAG vom 31.01.2023, Az. 9 AZR 456/20 hatte insoweit vor allem klarstellende Wirkung; Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers, nicht genommenen Urlaub nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten, unterliegt der dreijährigen Verjährungsfrist.
Anders als der Urlaubanspruch, welcher den wichtigen Erholungszweck des Arbeitnehmers während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses verfolgt, ist der Urlaubabgeltungsanspruch auf dessen finanzielle Kompensation beschränkt. Die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme von Urlaub, endet mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Sachverhalt
Die Beklagte betreibt eine Flugschule. Sie beschäftigte den Kläger seit dem 9. Juni 2010 als Ausbildungsleiter, ohne ihm seinen jährlichen Urlaub von 30 Arbeitstagen zu gewähren. Unter dem 19. Oktober 2015 verständigten sich die Parteien darauf, dass der Kläger in der Folgezeit als selbstständiger Dienstnehmer für die Beklagte tätig werden sollte. Mit der im August 2019 erhobenen Klage verlangte der Kläger ua. Abgeltung von Urlaub aus seiner Beschäftigungszeit vor der Vertragsänderung. Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Entscheidung
Die Revision des Klägers hatte beim Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg, soweit er die Beklagte auf Abgeltung von Urlaub aus den Jahren 2010 bis 2014 in Höhe von 37.416,50 Euro in Anspruch nimmt. Bezogen auf Urlaubsabgeltung für das Jahr 2015 blieb sie erfolglos.
Der Senat hat am 20. Dezember 2022 (- 9 AZR 266/20 – Pressemitteilung Nr. 48/22) entschieden, dass Urlaubsansprüche verjähren können, die dreijährige Verjährungsfrist jedoch erst am Ende des Kalenderjahres beginnt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch informiert und ihn im Hinblick auf Verfallfristen aufgefordert hat, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Hat der Arbeitgeber diesen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen, kann der nicht erfüllte gesetzliche Urlaub aus möglicherweise mehreren Jahren im laufenden Arbeitsverhältnis weder nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen noch nach § 195 BGB verjähren und ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten.
Der Urlaubsabgeltungsanspruch unterliegt seinerseits der Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist für den Abgeltungsanspruch beginnt in der Regel am Ende des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es auf die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten ankommt. Die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses bildet eine Zäsur. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist anders als der Urlaubsanspruch nicht auf Freistellung von der Arbeitsverpflichtung zu Erholungszwecken unter Fortzahlung der Vergütung gerichtet, sondern auf dessen finanzielle Kompensation beschränkt. Die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers, aus der der EuGH die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme von Urlaub ableitet, endet mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Bei einer verfassungs- und unionsrechtskonformen Anwendung der Verjährungsregelungen kann die Verjährungsfrist nicht beginnen, solange eine Klageerhebung aufgrund einer gegenteiligen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zumutbar ist.
Von dem Kläger konnte bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 19. Oktober 2015 nicht erwartet werden, seinen Anspruch auf Abgeltung des bis dahin nicht gewährten Urlaubs aus den Jahren 2010 bis 2014 gerichtlich durchzusetzen. Der Senat ging zu diesem Zeitpunkt noch davon aus, dass Urlaubsansprüche mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums unabhängig von der Erfüllung von Mitwirkungsobliegenheiten automatisch verfielen. Erst nachdem der EuGH mit Urteil vom 6. November 2018* neue Regeln für den Verfall von Urlaub vorgegeben hatte, war der Kläger gehalten, Abgeltung für die Urlaubsjahre von 2010 bis 2014 gerichtlich geltend zu machen.
Demgegenüber ist der Anspruch des Klägers auf Abgeltung von Urlaub aus dem Jahr 2015 verjährt. Schon auf Grundlage der früheren Rechtsprechung musste der Kläger erkennen, dass die Beklagte Urlaub aus diesem Jahr, in dem das Arbeitsverhältnis der Parteien endete, abzugelten hatte. Die dreijährige Verjährungsfrist begann deshalb Ende des Jahres 2015 und endete mit Ablauf des Jahres 2018. Der Kläger hat die Klage erst im Jahr 2019 erhoben.
Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 31. Januar 2023.